Klimawandel im Focus der Natur

Pressemitteilung Nr. 026/09

Datum: 26.02.2009

Natürliche Waldentwicklung mit Lusen im Hintergrund.
Foto: Rainer Pöhlmann

Natürliche Waldentwicklung mit Lusen im Hintergrund. Foto: Rainer Pöhlmann

(Pö) „Auch wenn es im Moment nicht danach aussieht – es wird wärmer auf unserer Erde“. Mit diesen einleitenden Worten startete Nationalpark-Forscher Dr. Claus Bässler im Besucherzentrum Haus zur Wildnis einen interessanten wie aufschlussreichen Vortrag über den globalen Klimawandel und seine Folgen für die Wälder im Nationalpark Bayerischer Wald.

Mit einem Rückblick auf die vorherrschenden Temperaturen seit dem Ende der letzten Eiszeit vor ca. 8.000 Jahren belegte Dr. Bässler, dass es auch in früheren Zeiten natürliche Temperaturschwankungen ohne menschliche Eingriffe gab. So lässt sich vor etwa 1.000 Jahren im Hochmittelalter eine Warmphase feststellen, in der es gut ein Grad Celsius wärmer war als heute und selbst in England mit Erfolg Wein angebaut wurde.

Ihr folgte die „kleine Eiszeit“ vor etwa 300 Jahren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, in der es besonders in höher gelegenen Regionen wie dem Bayerischen Wald zu großen Hungersnöten kam.

Trotz dieser nachweislichen Temperaturschwankungen legte sich der Weltklimarat 2007 auf die These fest, dass es künftig wärmer wird, und zwar je nach Klimaszenario zwischen 1,8 Grad bis 4,0 Grad C bis zum Ende des 21. Jahrhunderts, verursacht durch einen zunehmenden CO2-Anstieg in Folge Verbrennung fossiler Energie.

„Im ersten Moment erscheint das nicht sehr hoch“, betonte Dr. Bässler, verdeutlichte aber ihre immensen Auswirkungen auf die Natur. Schon bei einer Temperaturerhöhung von nur einem Grad Celsius würden ca. 30 % unserer heute auf Erden lebenden Arten aussterben! Und dieses eine Grad Temperaturanstieg würde auf Dauer die Vegetationszonen um etwa 160 Höhenmeter nach oben verschieben. Das heißt, unsere Bergmischwälder würden den heute bei ca. 1.200 Höhenmetern beginnenden Bergfichtenwald gänzlich verdrängen! Auf Grund dieser einschneidenden Veränderungen mag man sich gar nicht ausmalen, was auf unserer Erde passiert, wenn eine Temperaturerhöhung von knapp fünf Grad Celsius eintreten würde. Dass diese Thesen keine selbst erdachten Schreckgespenster darstellten, sondern Fakt sind, belegen die Untersuchungen von Naturforscher Friedrich Max Thiem am Rachel vor ziemlich genau 100 Jahren. Seine dort 1906 bestimmten 317 Käferarten leben heute im Durchschnitt 270 Höhenmeter weiter oben, stellte Dr. Bässler bei den gegenwärtig laufenden Untersuchungen fest. „Wer nach oben ausweichen kann, hat Glück. Für die, welche schon oben leben, wird es aber sehr eng“, konstatierte Dr. Bässler, und meinte damit alle Tiere und Pflanzen im hochmontanen Bergfichtenwald, wie z. B. den Siebenstern als Pflanzenvertreter oder die Ringdrossel als Tierart.

Dr. Bässler betonte ausdrücklich, dass alle Computer-Modellrechnungen über die erwartete Klimaerwärmung auf von Menschen eingegebenen Daten basieren und somit gewisse Unsicherheiten beinhalten. „Aber“, so Dr. Bässler, „zeigen uns schon heute die Klimawerte der letzten 30 Jahre von der Wetterstation Waldhäuser alarmierende Signale“. Allein der Buchenaustrieb hat sich in dieser Zeit um 18 Tage verfrüht! Die Buche könnte somit für dieses Jahrhundert durch die verlängerte Vegetationszeit zum Gewinner unter den Waldbäumen werden. Die Fichte hingegen wäre durch Wasserstress in Folge höherer Verdunstung und Begünstigung des Buchdruckers ein klarer Verlierer.

Die Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald möchte es nicht versäumen, die Veränderungen in der Natur durch den Klimawandel im Context mit dem Prozessschutz der Nationalparkwälder zu dokumentieren. Im Rahmen des BioKLIM-Projektes hat sie ab 2006 vier sog. Transekte – das sind 100 m breite Streifen mit fixierten Probeflächen im Abstand von je 100 m – von den Tallagen bis in die Kammlagen ausgewiesen und erforscht dort sehr komplexe Veränderungen der Tier- und Pflanzenwelt. Insbesondere der von der Klimaerwärmung profitierende Fichtenborkenkäfer verursacht durch das Abtöten der alten Fichten einen Wandel im Waldaufbau und mit dem einhergehenden erhöhten Lichtgenuss Veränderungen in der Tierwelt. Dr. Bässler konnte mit Diagrammen eindeutig belegen, dass im Hochlagenwald und im Bergmischwald die Artenzahl der Insekten vom klassischen Wirtschaftswald über den alten Wald hin zum Prozessschutzwald stetig zunimmt. Interessant ist dabei das Verhalten der vorhandenen Käferarten auf die Auflichtung durch den Borkenkäfer. Während 50 % bislang keine Reaktionen zeigen, zählen 40 % zu den Gewinnern und nur 10 % zu den Verlierern.

Weniger groß ist z. Zt. noch der Unterschied im Pilzbereich. Dr. Bässler begründet dies mit dem erst vor gut zehn Jahren begonnenen Walderneuerungsprozess. „Das Totholz ist noch nicht ausreichend zersetzt, um deutlich zählbare Ergebnisse feststellen zu können“, erklärt Dr. Bässler. Allerdings, bisher extrem seltene Pilzarten, wie z. B. die Zitronengelbe Tramete, sind jetzt wieder häufiger zu beobachten. „Bisher nur einmal in ganz Deutschland im Urwaldrelikt Mittelsteighütte bei Zwieslerwaldhaus entdeckt, findet sich dieser auf Totholz angewiesene Pilz praktisch auf jedem Messpunkt der Transekte im Rachel-Lusen-Gebiet“, freut sich Dr. Bässler.

Mit einem Plädoyer zu mehr Mut für den Prozessschutz unserer Wälder beendete Dr. Bässler seinen Vortrag und übertrug die bei ihm vorhandene Neugier über die sich auch künftig ergebenden Veränderungen in der Natur in Folge „Klimawandel und Borkenkäfer“ auf sein interessiertes Publikum.

Bildunterschrift:
Der Klimawandel begünstigt in unseren Breiten die Entwicklung des Fichtenborkenkäfers und damit einen beschleunigten Walderneuerungsprozess mit der Artenzunahme bei Tieren und Pflanzen durch erhöhtes Licht- und Nahrungsangebot sowie entstehender strukturreicher Kleinstandorte.
Foto: Rainer Pöhlmann

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