Vom Wert ungenutzter Wälder - Tagung im Haus zur Wildnis

Pressemitteilung Nr. 025/12

Datum: 23.02.2012

Der Wert ungenutzter Wälder wird dem Menschen meistens erst dann bewusst, wenn er wie hier im Watzlikhain bei Zwieslerwaldhaus im Nationalpark Bayerischer Wald vor 500 Jahre alten Urwaldriesen steht.

Der Wert ungenutzter Wälder wird dem Menschen meistens erst dann bewusst, wenn er wie hier im Watzlikhain bei Zwieslerwaldhaus im Nationalpark Bayerischer Wald vor 500 Jahre alten Urwaldriesen steht.

Die Vereinten Nationen riefen 2011 zum Jahr der Wälder aus. Auch der Nationalpark Bayerischer Wald beteiligte sich an der Umsetzung und erfüllte es mit Führungen und Vorträgen mit Leben. Bei einer Abschlussveranstaltung mit dem Thema „Vom Wert ungenutzter Wälder“ stellten im Haus zur Wildnis Referenten aus Umweltschutzverbänden, Universitäten und forstlicher Praxis ihre Arbeiten und Erfahrungen vor. Die Moderation übernahm Dr. Jörg Müller von Sachgebiet Forschung im Nationalpark Bayerischer Wald.

In der Funktion des Hausherren begrüßte der Leiter der Nationalparkverwaltung, Dr. Franz Leibl, die namhaften Referenten und zahlreichen geladenen Zuhörer und verdeutlichte die Multifunktionen des Waldes in der heutigen Gesellschaft. Er ist unersetzbarer Rohstofflieferant, erfüllt vielfältigste Schutzfunktionen, dient allen möglichen Arten der Erholung und soll zugleich die Artenvielfalt erhalten.

„Heute“, so Dr. Leibl, „steht aber nicht der Wirtschaftswald sondern der ungenutzte wilde Wald im Focus“. 50 Millionen Menschen besuchen alljährlich die Wälder der Nationalen Naturlandschaften (Großschutzgebiete) Deutschlands. Dort zeigt sich immer mehr die immense Bedeutung solcher Wälder für die Biodiversität. So sind viele Pilzarten nur in ungenutzten Wäldern zu finden, selbst vom aussterben bedrohte Arten etablieren sich dort wieder.

Der 1. Vorsitzender des Landesbund für Vogelschutz, Ludwig Sothmann, unterstrich die moralische Verpflichtung der Menschen zum Schutz der Resource Wald für alle Zeiten. Weltweit werden 7 Billionen US Dollar in der Waldnutzung erwirtschaftet. Lediglich 50 Milliarden US Dollar werden zum Erhalt ausgegeben. Er beklagte auch die im Durchschnitt viel zu kleinen Naturwaldreservate in Bayern: 160 Naturwaldreservate verteilen sich auf 7 000 Hektar. Sothmann hob auch hervor, dass die Verantwortung für den Erhalt und Mehrung ungenutzter Wälder der Staat trägt und erinnerte an das Ziel der Bundesrepublik Deutschland, bis zum Jahr 2020  5% der Wälder als nutzungsfrei auszuweisen.

Dr. Ralf Straußberger vom Bund Naturschutz in Bayern e.V. beklagte zunächst den Schwerpunkt des Internationalen Jahr der Wälder, der durch die angestrebte Energiewende deutlich im Bereich der Wirtschaftswälder lag. Dr. Straußberger stellte aber auch klar, dass eine Waldwirtschaft - vorausgesetzt sie ist naturgemäß - unverzichtbar ist und ebenfalls bedeutende Naturschutzaspekte erfüllt. Waldfunktionen wie dynamische Prozesse kann der Wirtschaftswald jedoch nicht bieten. Dr. Ralf Straußberger widersprach auch dem Märchen von der überlegenen CO²-Senke von Wirtschaftswäldern am Beispiel des Nationalparks Hainich.

Der in der Nationalpark Region durch seine Studie „Der Nationalpark als regionaler Wirtschaftsfaktor“ bekannte Universitätsprofessor Dr. Hubert Job referierte über den Erholungswert von Wäldern. Die Walderholung ist für viele Menschen die wichtigste Form der Naturbegegnung. Laubwälder werden bevorzugt, alten Bäumen große Wertschätzung entgegengebracht. Am Beispiel des „ältesten, wildesten und bekanntesten“ deutschen Nationalparks, dem Nationalpark Bayerischer Wald, erläuterte Prof. Job unter anderem die Totholz- und Borkenkäferwahrnehmung, die im Beobachtungszeitraum 1997 bis 2011 stetig gestiegen ist aber in ihrer negativen Bedeutung abgenommen hat.

Als weiteres interessantes Themenfeld trug Prof. Job die Zahlungsbereitschaft für Walderholung vor. Festgemacht an den zur Zeit etwa jährlich 1 Million Besuchern des Nationalparks Bayerischer Wald, die bereit wären, 2,47 Euro/Tag auszugeben, errechnet sich nur für dieses Schutzgebiet die stolze Summe von 2,47 Millionen Euro pro Jahr. Prof. Job prognostiziere für das Jahr 2030 ein durch Windkrafträder völlig verändertes Landschaftsbild für Bayern. „Nationalparke sollen von Windkraftnutzung ausgenommen werden, folglich werden windkraftfreie Zonen viel Geld wert sein“, resümierte Prof. Job.

Dr. Wendelin Weis, vom Sachgebiet Waldernährung und Wasserhaushalt der TU München ging in seinem Vortrag auf den Verlust von Nährstoffen im Ökosystem Wald durch forstliche Nutzung ein. Gerade durch vollmechanische Ernte und die Nutzung des Kronenmaterials zur Hackschnitzelherstellung werden die Waldbestände intensiv genutzt. Eine Vollbaumnutzung entzieht dem System bis zu 350% Stickstoff und Phosphor, bis zu 200% Calcium, Magnesium und Kalium. Gerade bei Standorten mit geringem Nährstoffgehalt wie im Bayerischen Wald ist dadurch ein Zuwachsrückgang zu befürchten.

Sven Finnberg, Revierleiter und Stadtwald-Förster in Bad Windsheim, berichtete, dass auch in der klassischen Fortwirtschaft Naturschutz möglich ist. Finnberg sieht wirtschaftende Forstbetriebe in der Pflicht, einzelne, seltene Arten zu unterstützen. Auch kleinräumige Bereiche, die nicht nach Forstlehrbuch behandelt werden, helfen dem Naturschutz und schaden dabei nicht der wirtschaftlichen Nutzung. Es sei eine deutsche Tugend aufzuräumen - das habe man in seinem Revier z. B. auf einer lediglich 0.25 Hektar großen Fläche nicht gemacht. 44 Käferarten der Roten Liste wurden hier bei einer Untersuchung gefunden.

Dr. Markus Bernhardt- Römermann vom Institut für Botanik der Universität Regensburg stellte die Frage: Welchen Wert hat Artenvielfalt? Ist eine diverse Fläche notgedrungen auch eine wertvollere? und stellte fest, dass lokal dazu kein allgemeingültiger Trend ausgemacht werden könne. Seine Idealvorstellung wäre ein Nebeneinander und eine Vernetzung von Natura 2000 Gebieten, Naturwaldreservaten und Großschutzgebieten, um auch Arten mit größerem Raumanspruch gerecht zu werden.

Dr. Jörg Müller vom Sachgebiet Forschung und Dokumentation des Nationalparks Bayerischer Wald beleuchtete den Prozessschutz und dessen positive Folgen für die Entwicklung von (neuen) Lebensräumen. Eine Wertung in gut und schlecht durch den Menschen ist fehl am Platze. Der viel diskutierte großflächige Befall von Borkenkäfer gehört dazu. „Immer wenn der Mensch Katastrophe sagt ist das super für die Natur. Dann wird es spannend!“ meint Müller dazu. Der Prozess des Absterbens und der Erneuerung eines Waldes ist uralt. Daran angepasste Arten profitieren vom Lichteinfall solange bis sich der Wald wieder schließt und die Natur auf die nächste „Katastrophe“ wartet. Auch die Sichtweise habe sich geändert. Besucher wie Einheimische erleben den verwildernden Wald auf Führungen und sind beeindruckt von Prozessschutz und den entstehenden Waldbildern.

Rainer Pöhlmann 

Fazit:

Der Wert ungenutzter Wälder beschränkt sich nicht nur auf die Erholung und das Erleben durch den Menschen oder einer Lebensraumschaffung für seltene Arten.  Er erfüllt auch Puffer- und Speicherfunktionen und ist damit von großer Bedeutung im Klima, Nährstoff- bzw. Wasserhaushalt.

 

Bildunterschrift:
Der Wert ungenutzter Wälder wird dem Menschen meistens erst dann bewusst, wenn er wie hier im Watzlikhain bei Zwieslerwaldhaus im Nationalpark Bayerischer Wald vor 500 Jahre alten Urwaldriesen steht. Foto Rainer Pöhlmann 

Pressefotos zum Download - Freigabe nur in Verbindung mit der Pressemitteilung - unter:
http://www.nationalpark-bayerischer-wald.de/aktuelles/presse/mediathek/index.htm

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