Abschied nach zwölf Jahren

Interview: Dr. Franz Leibl blickt auf seine Zeit als Nationalparkleiter zurück

Eintrag Nr. 49/2023
Datum:


Dr. Franz Leibl
Dr. Franz Leibl

Grafenau. Zwölf Jahre lang war Dr. Franz Leibl Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald. Am 31. Juli hat er sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Warum er mit einem lachenden und weinenden Auge geht, erzählt er im Interview mit dem Nationalpark-Magazin "Unser wilder Wald".

Hat ihr Herz bereits für das Schutzgebiet geschlagen, als Sie vor zwölf Jahren Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald wurden?

Franz Leibl: Ich kannte den Nationalpark von meiner Doktorarbeit her. Auch durch meine Tätigkeit bei der Höheren Naturschutzbehörde bei der Regierung von Niederbayern war das Schutzgebiet natürlich eine bekannte Größe. Ich wusste, dass es ein besonderes Waldschutzgebiet ist. Aber eine emotionale Bindung hatte ich damals zum Nationalpark nicht.

Und wie ist dies heute, zwölf Jahre später?

Franz Leibl: Heute ist der Nationalpark für mich kostbar. Diese tolle Natur zu schützen war in den vergangenen Jahren nicht nur mein Beruf. Es ist zu einer Berufung und einer Herzensangelegenheit geworden. Die Arbeit hier ist sinnhaft, das ist das Positivste für mich. Dass ich für so ein großes Projekt, das zukunftsorientiert ist und auf die nächsten Generationen wirkt, verantwortlich sein durfte, dafür bin ich sehr dankbar.

Zurück zum Anfang. Wie war das erste Jahr als Nationalparkleiter?

Franz Leibl: Das erste Jahr war extrem stressig. Dass die Einarbeitung und die Priorisierung von Arbeitsabläufen erst einmal viel Zeit in Anspruch nehmen wird, war mir klar. Aber es kam viel Unvorhersehbares dazu. Nach etwa fünf Wochen gab es einen 100.000 Festmeter großen Windwurf, der aufgearbeitet werden musste. Auch das politische Umfeld war zu Beginn meiner Amtszeit schwierig. Die Akzeptanz des Parks war damals nicht so hoch wie heute, die Attacken der Bürgerbewegung waren oft sehr persönlich gegen mich gerichtet.

Wie haben Sie es geschafft, den Nationalpark in ein anderes Licht zu rücken?

Franz Leibl: Wir haben unsere Arbeit sehr transparent gestaltet und immer offen kommuniziert. Wir haben versucht, die Menschen in unser Tun mit einzubinden und darüber informiert, was wir vorhaben. Jeder hat gewusst, wie er gerade dran ist. Gelungen ist dies nicht nur durch den Ausbau der Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Von Bedeutung waren hier auch unsere Forschungsergebnisse. Ich wollte den Argumenten der Bürgerbewegung nicht emotional gegenübertreten, sondern ihre Annahmen, die ja falsch waren, mit Fakten wiederlegen. Darum habe ich großen Wert auf Forschung gelegt. Heute ist dieser Bereich international angesehen. Dieser Erfolg ist letztendlich auch den Menschen geschuldet, die hier tätig sind.

Mit was konnten Sie zu Beginn gar nichts anfangen?

Franz Leibl: Es gibt Dinge, da habe ich den Wert erst gemerkt, als es vollzogen war. Ich konnte zum Beispiel nicht einordnen, warum wir Nationalpark-Partnerschulen brauchen. Oder wofür eine Kooperation mit Touristikern gut sein soll. Ich habe mich aber auf meine Mannschaft verlassen und diese Entwicklungen mitgetragen. Heute weiß ich, wie notwendig solche Netzwerke sind. Mittlerweile haben wir auch Kindergärten als Partner zertifiziert, um bereits bei den Kleinsten das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur zu wecken und um die Region noch besser an das Schutzgebiet zu binden.

Ist Ihnen das gelungen?

Franz Leibl: Ich denke schon. Wenn man die Leute in der Region kennengelernt hat, spürt man, dass vielen der Nationalpark persönlich am Herzen liegt. Zu 90 Prozent habe ich positive Rückmeldungen erhalten. Die Menschen schätzen das Schutzgebiet als Teil ihrer persönlichen Umgebung, das war für mich von großer Bedeutung.

Woran erinnern Sie sich außerdem gerne, wenn Sie an die vergangenen zwölf Jahre zurückdenken?

Franz Leibl: Daran, dass wir endlich eine Naturzone von 75 Prozent erreicht haben, und daran, dass der Nationalpark fachlich und inhaltlich international anerkannt ist. Auch die Tatsache, dass wir zusammen mit dem Nationalpark Šumava mittlerweile wieder eine Auerhuhnpopulation haben, die überlebensfähig ist, freut mich sehr. Das ist letztendlich auf unser Parkmanagement zurückzuführen und auf die wilden Wälder, die hier entstanden sind. Generell bedeutet mir die Kooperation mit dem Nationalpark Šumava, die in den vergangenen sieben Jahren entstanden ist, viel. Zu Beginn meiner Amtszeit war an eine Zusammenarbeit mit Tschechien überhaupt nicht zu denken, weil die damalige Leitung den Eisernen Vorhang wieder aufgebaut hat. Heute haben wir es geschafft, ein Waldschutzgebiet von enormer Größe im Herzen Mitteleuropas zu schaffen, das im Gleichklang entwickelt wird und wo die Natur den Vorrang hat.

Wäre es möglich, aus beiden Nationalparks ein Schutzgebiet mit einer Verwaltung zu machen?

Franz Leibl: In afrikanischen Ländern geht es – und es wäre auch bei uns erstrebenswert, weil auf beiden Seiten der Grenze die gleichen naturschutzfachlichen Werte gelten. Der Böhmerwald ist als eine Einheit zu sehen und das sollte auch einheitlich gemanagt werden. Diese Vision sollte man nicht aus den Augen verlieren.

Was ist Ihre Vision, wie Ihr Ruhestand aussehen sollte?

Franz Leibl: Ich freue mich darauf, meinen Hobbies nachgehen zu können, allen voran der Ornithologie. Ich habe vor, für bestimmte Arten auf großer Fläche im Donautal eine Bestandsaufnahme machen. Zum Schilfrohrsänger oder zum Blässhuhn gibt es überhaupt keine Untersuchungen. Und natürlich freue ich mich auf die Zeit mit meiner Familie.

Gehen Sie auch mit einem weinenden Auge?

Franz Leibl: Ja, natürlich. Wenn ich durch diese Natur gehe, fühle ich mich verantwortlich dafür. Diese Wälder, die wir haben, findet man kein zweites Mal in Deutschland. Ich habe einen kleinen Beitrag geleistet, dass es so ist wie es ist. Jetzt muss ich mich zurückziehen und das ist schwierig.

Was wünschen Sie Ihrer Nachfolgerin Ursula Schuster?

Franz Leibl: Meiner Nachfolgerin wünsche ich, dass sie gute Entscheidungen für die Natur des Nationalparks und für die Nationalpark-Mannschaft trifft. Das Schutzgebiet lebt vor allem durch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ohne engagierte, pfiffige Leute würden wir nicht da stehen, wo wir jetzt sind und die Entwicklung wäre ganz anders gewesen. Das ist nicht allein auf den Leiter zurückzuführen.

 

Hinweis: Dieser Text stammt aus der im August 2023 erschienenen Ausgabe des Nationalpark-Magazins "Unser wilder Wald". Die komplette Publikation kann auf der Nationalpark-Homepage als ePaper gelesen werden.

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