Geimpfter Rosenduft

Auszug aus Naturschutz-Broschüre: Ein Versuch zur Nachzucht von Pilz-Raritäten

Eintrag Nr. 32/2023
Datum:


Mit Pilzsporen geimpfter Holzdübel auf Versuchsfläche im Nationalpark-Randbereich. Foto: Peter Karasch
Mit Pilzsporen geimpfter Holzdübel auf Versuchsfläche im Nationalpark-Randbereich. Foto: Peter Karasch

Duftender Feuerschwamm. Foto: Peter Karasch
Duftender Feuerschwamm. Foto: Peter Karasch

Zwieslerwaldhaus. Es ist ein sonniger Sommervormittag. Noch ist es kühl im Wald. Beste Zeit also, um einen Spaziergang zu unternehmen. Eine Gruppe Urlauber hat von der Schönheit der Mittelsteighütte gehört, weshalb sie nun in diesen Urwald eintaucht. Ringsherum steht eine Armada junger Bäumchen. Dazwischen wachen jahrhundertealte Methusalems. Den Besuchern fällt aber auch das viele Totholz ins Auge, bis auf einmal ein besonderer Duft in ihre Nasen steigt. Es riecht nach Rosen. Ein vorbeikommender Ranger klärt die Wanderer auf: Der Fruchtkörper eines Pilzes sorgt für den Geruch. Der Duftende Feuerschwamm kommt in Deutschland nur hier vor.

OHNE TANNEN KEIN FEUERSCHWAMM

Doch warum ist der Pilz so selten? Er ist schlichtweg ein Opfer der Bewirtschaftung. Denn die Art ist zuvorderst auf eine Ressource angewiesen, die es in den von Menschen beeinflussten Wäldern Mitteleuropas nicht mehr gibt: Tannentotholz. Das muss zunächst einmal in ausreichenden Mengen vorhanden sein. Zudem ist zu beobachten, dass der Pilz oft dickere Stämme besiedelt. Und weil der Pilz so dermaßen spezialisiert ist, sind aktuell weltweit weniger als zehn Wuchsorte bekannt. In Deutschland kommt er nur in der Mittelsteighütte vor. Allein das ist ein Anzeichen dafür, dass der dort erhalten gebliebene Urwaldrest von höchstem ökologischem Wert ist.

STÜTZUNGSPROJEKT DANK LABORZUCHT

Ob der Duftende Feuerschwamm dauerhaft in der Mittel¬steighütte überleben kann, ist jedoch fraglich, da er auch dort nur auf wenigen Wirtsstämmen vorkommt. Außerdem ist das Gebiet nicht allzu groß. Daher hat der Nationalpark mit einem Stützungsprojekt begonnen. Was bei Tier- und Pflanzenarten seit Jahrzehnten praktiziert wird, ist im Bereich der Pilze noch absolutes Neuland. Der revolutionäre Versuch der Arterhal¬tung beginnt im Wald. Dort werden Proben der Fruchtkörper genommen, die im Labor kultiviert werden. Auf einer Nähr-stofflösung wird der Pilz letztendlich so lange gezüchtet, bis er in Holzdübel geimpft werden kann. Hat er diese merklich durchwachsen, geht’s wieder raus in die Natur.

MEHR FORSCHUNG SOLL WISSENSLÜCKEN SCHLIESSEN

Die durchgeimpften Dübel setzen Forscher im Wald schließlich in geeignete Totholzstämme ein. In einer ersten Phase wurden so 300 Impfdosen verabreicht. Weil ausreichend dimensionier¬te abgestorbene Tannen fehlten, musste zuvor ein Großteil der Wirtsstämme erstmal von Menschenhand in die Randzone des Schutzgebiets gebracht werden. Ob der Versuch letztendlich von Erfolg gekrönt ist, werden aber erst die nächsten Jahre zeigen. Derweil soll im Labor weiter an der Lebensweise und den Lebensraumansprüchen der Pilzart geforscht werden. Nur so können letztendlich Wissenslücken geschlossen werden, die wichtig sind, um künftige Stützungsprojekte noch effektiver gestalten zu können.

Gewinner

Der DUFTENDE FEUERSCHWAMM mit seinen flächigen, intensiv nach Rosen duftenden Fruchtkörpern kam einst wohl flächig in den Bergmischwäldern des Bayerischen Waldes vor. Überlebt hat er letztendlich nur in der Mittelsteighütte, da dieses Gebiet schon vor über 100 Jahren unter Schutz gestellt wurde.

Vor Ort erleben

Wer mit offenen Augen – oder besser gesagt offener Nase – durch die Mittelsteighütte spaziert, kann den Pilz mit etwas Feingespür erschnüffeln. Das Urwaldgebiet am Ortsrand von Zwieslerwaldhaus ist auch für Personen mit eingeschränkter Mobilität erreichbar. Hindurch führt der barrierearme Rund¬weg „Ameise“.

 

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