Wenn Rinder die Artenvielfalt fördern

Wandertipp: Almstimmung auf dem Ruckowitzschachten unterhalb vom Großen Falkenstein

Eintrag Nr. 03/2017
Datum:


Es ist ein einmaliger Anblick, der sich Wanderern unterhalb des Großen Falkensteins bietet. Auf dem Ruckowitzschachten, der größten der ehemaligen Hochweiden im Nationalpark Bayerischer Wald, grast


Fressen für die Artenvielfalt: Die selektive Nahrungsaufnahme des Roten Höhenviehs ist ein Grund dafür, dass so viele besondere Arten auf dem Ruckowitzschachten vorkommen. Foto: Ulrike Selig
Fressen für die Artenvielfalt: Die selektive Nahrungsaufnahme des Roten Höhenviehs ist ein Grund dafür, dass so viele besondere Arten auf dem Ruckowitzschachten vorkommen. Foto: Ulrike Selig

Zu den vielen seltenen Pflanzen, die sich auf dem Ruckowitzschachten besonders wohl fühlen, gehören auch ein paar besonders farbige Exemplare, wie die Arnika. Foto: Julia Piser
Zu den vielen seltenen Pflanzen, die sich auf dem Ruckowitzschachten besonders wohl fühlen, gehören auch ein paar besonders farbige Exemplare, wie die Arnika. Foto: Julia Piser

Wer die Tour auf den Ruckowitzschachten verlängern will, nimmt noch den Großen Falkenstein mit. Vom 1315 Meter hohen Gipfel aus kann man tolle Ausblicke genießen. Foto: Frank Bietau
Wer die Tour auf den Ruckowitzschachten verlängern will, nimmt noch den Großen Falkenstein mit. Vom 1315 Meter hohen Gipfel aus kann man tolle Ausblicke genießen. Foto: Frank Bietau

Auf der rund 18 Fußballfelder großen Freifläche auf dem Bayerwald-Höhenkamm hat die kleine Rinderherde viel Platz, so dass Wanderer oft genau hinschauen müssen, um die Tiere zu entdecken. Foto: Gregor Wolf
Auf der rund 18 Fußballfelder großen Freifläche auf dem Bayerwald-Höhenkamm hat die kleine Rinderherde viel Platz, so dass Wanderer oft genau hinschauen müssen, um die Tiere zu entdecken. Foto: Gregor Wolf

Mit etwas Glück lässt sich auf dem Schachten auch Ungarischer Enzian finden. Foto: Rainer Simonis
Mit etwas Glück lässt sich auf dem Schachten auch Ungarischer Enzian finden. Foto: Rainer Simonis

Zwieslerwaldhaus. Es ist ein einmaliger Anblick, der sich Wanderern unterhalb des Großen Falkensteins bietet. Auf dem Ruckowitzschachten, der größten der ehemaligen Hochweiden im Nationalpark Bayerischer Wald, grast in den Sommermonaten Rotes Höhenvieh. Landwirtschaftliche Interessen wie einst stecken aber nicht hinter der probehaften Beweidung. Die Tiere sind vielmehr dafür da, um die Artenvielfalt zu erhalten – und somit auch ein Stück Bayerwald-Historie.

Wer die Perle im Waldmeer erleben will, startet am besten in Zwieslerwaldhaus. Von dort gilt es der Wegemarkierung „grünes Dreieck“ zu folgen. Dabei gibt’s zunächst noch einen anderen Höhepunkt zu bestaunen, das Urwaldgebiet Mittelsteighütte. Hier wachen jahrhundertealte Bäume über ein besonders strukturreiches Stück Natur. Bizarre Wurzelformationen, rauschende Bergbäche, bunte Pilze und vieles mehr warten darauf, entdeckt zu werden.

Nach dem Urwald geht’s die Falkenstein-Hänge hinauf. Knapp zwei Stunden sollte man für die Strecke durch die Mischwälder hinauf zum Ruckowitzschachten einplanen. Die Belohnung kommt, wenn sich plötzlich der dichte Baumbestand öffnet. Schon ein paar Meter zuvor fällt auf einmal mehr Licht auf den Waldboden, so dass sich bereits eine Lichtung erahnen lässt. Eine so große offene Fläche kommt dann aber doch überraschend. Etwa 18 Fußballfelder würden auf der ehemaligen Hochweide Platz finden. Die Spieler hätten aufgrund der Hanglage wohl aber wenig Spaß auf rund 1150 Metern über dem Meeresspiegel.

Richtig prächtig geht es hingegen der knapp zehnköpfigen Rinderherde. „Das Rote Höhenvieh ist eine bedrohte Haustierrasse, die sehr robust, genügsam und kräftig ist. Deswegen wurden die Tiere bereits in der Vergangenheit im rauen Klima des bayerisch-böhmischen Grenzgebiets eingesetzt“, berichtet Claudia Schmidt, die bei der Nationalparkverwaltung für das aktuelle LIFE+ Projekt zuständig ist. Dabei werden dank EU-Mitteln und mit Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds besonders wertvolle Lebensräume gefördert. Neben der Beweidung am Ruckowitzschachten sind die Renaturierung von Mooren und Fließgewässern Teil des Programms.

Hauptziel des LIFE+ Projekts ist es, spezielle Arten und deren Lebensräume zu erhalten. Somit steigt nebenbei auch die Artenvielfalt. Auf dem Ruckowitzschachten erledigen die Vierbeiner diesen Job. „Die Rinder schaffen Vielfalt“, so Schmidt. „Das Vieh selektiert stark auf der Weide, dadurch wird etwa Borstgras gefördert, das den Tieren nicht so schmeckt. Von kleinflächig offenen Bodenstellen, die durch Trittspuren entstehen, profitiert wiederum etwa die Arnika, eine selten gewordene Heilpflanze.“ Die Almstimmung gibt’s für die Wanderer obendrauf.

Der Schachten hält aber noch mehr Überraschungen in Sachen Biodiversität bereit. So versteckt sich auf der Fläche ein kleines Quellmoor. „Aus dem Hang selbst tritt Wasser aus, so dass sich das Niedermoor bilden konnte. Diese empfindlichen Bereiche sind nicht beweidet. Dafür findet man dort einige Spezialisten, etwa das Gemeine Fettkraut, eine gefährdete fleischfressende Pflanze, oder Fuchs‘ Knabenkraut, eine Orchidee“, erklärt die Nationalpark-Mitarbeiterin. Alles in allem lassen sich so über 200 Pflanzenarten im Umgriff der Nationalpark-Schachten nachweisen. Ein wahres Eldorado für Naturfreunde.

Nach dem ausgiebigen Genießen auf der Wiese bietet sich noch der Gipfelsturm an. Schließlich liegt der 1315 Meter hohe große Falkenstein jetzt nur noch knapp eine Stunde entfernt. Auf dem Weg dahin lohnt der kurze Abstecher über den Windwurf-Erlebnisweg. Der etwa 500 Meter lange Pfad zeigt, wie sich der Wald seit einem heftigen Sturm im Januar 2007 wieder von selbst erholt.

Ein perfekter Überblick über das Gebiet zwischen Großem Rachel, Brotjacklriegel und Großem Arber wartet kurz darauf am höchsten Punkt der Tour. Für die Anstrengungen der Wanderungen kann man sich bei der Einkehr im Schutzhaus, direkt unterhalb des Gipfels gelegen, belohnen. Kräftig gestärkt geht’s über die Wanderlinie Eibe auf kürzesten Weg zurück zum Ausgangspunkt. Beim Abstieg lässt sich ohne Umweg sogar noch ein zweiter Gipfel mitnehmen, der Kleine Falkenstein.  Ganz und gar nicht klein sind hingegen die gewonnen Eindrücke dieser spannenden Tagestour.

Info: Führungen auf den Ruckowitzschachten finden im Rahmen des Nationalpark-Führungsprogramms am 24. Juni, 15. Juli, 12. August und 2. September statt. Dabei steht unter anderem das LIFE+ Projekt im Fokus. Los geht’s jeweils um 13 Uhr am Parkplatz P1 in Zwieslerwaldhaus. Weitere Führungen finden Sie unter www.nationalpark-bayerischer-wald.de.

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