Rückkehr nach über 100 Jahren

Ausgestorben geglaubte Arten wie der Urwaldreliktkäfer Peltis grossa können sich bei geeigneten Lebensräumen wieder ansiedeln

Eintrag Nr. 55/2022
Datum:


Erstmals nach über 100 Jahren wurde der Urwaldrelikt-Käfer Peltis grossa 2019 im Nationalpark Bayerischer
Wald nachgewiesen. Foto: Lukas Haselberger
Erstmals nach über 100 Jahren wurde der Urwaldrelikt-Käfer Peltis grossa 2019 im Nationalpark Bayerischer Wald nachgewiesen. Foto: Lukas Haselberger

Beim grenzüberschreitenden Monitoring 2020 waren 36 freiwillige Helfer im Einsatz. Nur mit Hilfe von „Citizen Sience“, also der Beteiligung der Bevölkerung an der Forschung, konnten in beiden Nationalparks große Flächen untersucht werden.
Beim grenzüberschreitenden Monitoring 2020 waren 36 freiwillige Helfer im Einsatz. Nur mit Hilfe von „Citizen Sience“, also der Beteiligung der Bevölkerung an der Forschung, konnten in beiden Nationalparks große Flächen untersucht werden.

Grafenau. Wenn man eine Nadel im Heuhaufen sucht, sind die Chancen auf Erfolg größer, wenn viele mithelfen. So war es auch beim Monitoring des seit 1906 verschollenen Urwaldreliktkäfers Peltis grossa. Letztendlich war die Mühe von Erfolg gekrönt.

Mit einer Größe von bis zu zwei Zentimetern ist Peltis grossa gar nicht so klein und auch nicht leicht zu übersehen. Aber wenn der Lebensraum für den vom Aussterben bedrohten Rauen Flachkäfer fehlt, fehlt auch der Käfer
selbst. Und so war es auch über 100 Jahre lang. Mit der zunehmenden Bewirtschaftung des Waldes im 20. Jahrhundert gingen immer mehr Naturwälder verloren. Dickes Totholz, auf das Peltis grossa angewiesen ist, blieb nicht
mehr im Wald und so verschwand die Art.

ERSTER FUND IN EINER BORKENKÄFERFALLE

Im Jahr 2018 landete ein Exemplar durch Zufall in einer Borkenkäferfalle im Nationalpark Šumava. Ein Jahr später konnte Peltis grossa auch auf bayerischer Seite nachgewiesen werden. Dies war der Ausschlag für die Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava, 2020 ein breit angelegtes, grenzüberschreitendes Monitoring durchzuführen. 36 freiwillige Helfer, vom Kind bis zum Rentner, suchten auf 104 Flächen nach dem seltenen Gesellen. Dabei musste unbedingt auf passende Bedingungen geachtet werden. Der Käfer ist vor allem in warmen Nächten über 19 Grad aktiv und dann auf dem
Fichtenporling-Baumpilz oder auf der Rinde von Fichtentotholz zu finden. Letztendlich war die Suche vor allem auf
tschechischer Seite erfolgreich: Während auf bayerischer Seite lediglich ein Käfer sowie drei Bohrlöcher gefunden wurden, verzeichnete man auf der anderen Seite der Grenze insgesamt 115 Nachweise der Art. Das Hauptvorkommen
liegt rund um den Plöckenstein in einem Umkreis von zehn Kilometern.

AUSBREITUNG DANK WENIGER ÜBERLEBENDER

Doch wie lässt sich die Auferstehung von Peltis grossa erklären? Windwurf- und Borkenkäferereignisse der vergangenen zwei Jahrzehnte haben in beiden Nationalparks für ausreichend vorhandenes Totholz gesorgt. Die erste „Totholz-
Welle“ in den 1990er Jahren hat allerdings für eine Ansiedlung nicht gereicht. Erst 30 Jahre später sind für den Rauen Flachkäfer wieder geeignete Lebensraumbedingungen entstanden. Eine Wiederansiedlung war allerdings
nur möglich, weil es eine kleine Quellpopulation, also letzte Überlebende der Urwaldreliktart, gab. Nach den Erkenntnissen des Monitorings war diese im Plöckensteingebiet.

NATUR NATUR SEIN LASSEN ALS BESTE VORAUSSETZUNG

Die Studie zeigt, dass sich Arten, die als großflächig ausgestorben galten, wieder verbreiten können – dies aber sehr lange dauert. Die Quellpopulation braucht zunächst Zeit, um sich zu erholen und zu wachsen. Erst dann kann sie sich ins Umland ausbreiten – und dies klappt auch nur, wenn dort die passenden Lebensräume vorhanden sind. Nachdem die
beiden Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Mitteleuropas sind und dort die Philosophie „Natur Natur sein lassen“ gilt, hat Peltis grossa gute Karten. Seine Wohnung ist
fertig eingerichtet, jetzt geht es ans Einziehen. 

KURZ UND BÜNDIG:

  • Ausgestorben geglaubte Arten können sich wieder ansiedeln.
  • Notwendig dafür sind einige Überlebende und ein geeigneter Lebensraum.
  • Da die Populationen langsam wachsen, müssen Naturschutzkonzepte langfristig ausgelegt sein.

Der Text ist in der Broschüre "Forschung im Nationalpark" erschienen und kann auf der Homepage des Nationalparks Bayerischer Wald heruntergeladen werden. 

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