Geht's den Insekten gut, läuft's am Bach

Nach der Versauerung der Gewässer bis in die 80er Jahre erholt sich dieser Lebensraum mit seiner Artenvielfalt nun

Eintrag Nr. 44/2022
Datum:


Die Erholung der Bäche im Nationalpark Bayerischer Wald sorgt dafür, dass auch die Mühlkoppe wieder in ihren ursprünglichen Lebensraum zurückgekehrt ist. Foto: Rudolf Schmidt
Die Erholung der Bäche im Nationalpark Bayerischer Wald sorgt dafür, dass auch die Mühlkoppe wieder in ihren ursprünglichen Lebensraum zurückgekehrt ist. Foto: Rudolf Schmidt

Steinfliegenlarve der Gattung Perla. Foto: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt/M.
Steinfliegenlarve der Gattung Perla. Foto: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt/M.

Eintagsfliege der Gattung Rhitrogena. Foto: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt/M.
Eintagsfliege der Gattung Rhitrogena. Foto: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt/M.

Grafenau. Die Stille am Wasser, einfach traumhaft, oder? Ganz im Gegenteil! In den Anfangsjahren des Nationalparks waren schwirrende Kleinstlebewesen noch rar an den Bächen. Die Versauerung der Gewässer setzte den Tieren zu. Dieser Trend hat sich zum Glück umgekehrt.

Langjährige Forschungen haben gezeigt: Geht es Insekten und Krebstieren in den Gewässern gut, geht es auch Fischen und anderen Tieren rund um die Gewässer gut – von der Erdkröte bis hin zum Fischotter. Vor 50 Jahren stand es
noch schlecht um die Lebensgemeinschaften im Wasser. Vom Menschen erzeugte Schadstoffe hatten die Wasserqualität der Bäche selbst im Inneren Bayerischen Wald in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark verschlechtert.
Insekten, Krebstiere und Fische verschwanden immer mehr. Doch mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Das Beispiel des Bergbachs Große Ohe zeigt, dass sich die hier lebenden Arten merklich erholt haben.

ALS DER SAURE REGEN KAM

Vor allem Schwefeldioxid und Stickoxide gelangten bis in die 1970er und frühen 1980er Jahre durch fossile Brennstoffe und industrielle Prozesse in die Luft. In der Landwirtschaft wurde zudem jede Menge Ammoniak freigesetzt.
Aus all diesen Stoffen entstanden in der Atmosphäre starke Säuren, die als Saurer Regen auch in abgelegene Gebiete gelangten. Dadurch versauerten die Böden und Fließgewässer im Wald. Leidtragende dieser Entwicklung waren unter anderem Insekten, deren im Wasser lebender Nachwuchs säureempfindlich ist. Durch den Wegfall dieser Beutetiere
wurde Fischen, wie der Bachforelle und der Mühlkoppe, zum einen die Nahrungsgrundlage entzogen. Zum anderen sind diese Arten selbst nicht säuretolerant. So waren in dieser Zeit viele Bäche, vor allem in den Hochlagen des
Bayerwalds, fischfrei.

FORTSCHRITTE IM UMWELTSCHUTZ ERMÖGLICHEN NATURERHOLUNG

Die Wende setzte in den 1980er Jahren ein. Der Mensch hatte dazugelernt. Politische und technische Maßnahmen zur Luftreinhaltung sorgten dafür, dass weniger Schadstoffe in die Atmosphäre geblasen wurden. Damit ging
der Säureeintrag in die Wälder zurück, die Gewässer konnten sich erholen. Wie sich die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften an der Großen Ohe unterhalb der Pegelstation Taferlruck entwickelte, zeigen Daten des
Wasserwirtschaftsamts Deggendorf für die Jahre 1983 bis 2014. Seit 1983, noch in der Hochzeit der Gewässerversauerung, kam im Schnitt alle zwei Jahre eine weitere Art in der Großen Ohe hinzu. Die Anzahl der gezählten Individuen stieg insgesamt um 173 Prozent.

FLIEGEN UND MÜCKEN SIND GEWINNER DES KLIMAWANDELS

Beschleunigt wurde die vielfältige Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften im Fließgewässer auch durch die klimatische Veränderung. Die Temperatur der Gewässer ist im Vergleich zu den 1980er Jahren um rund 1,5 Grad Celsius gestiegen. Außerdem wurde es heller an den Ufern der Bäche. Bäume starben durch Borkenkäferbefall und Windwürfe, das Kronendach öffnete sich. Der Anteil an Stein- und Köcherfliegenarten, die stark an kaltes Wasser angepasst sind, ging zurück. Die Larven von Zweiflüglern wie Fliegen und Mücken hingegen, die besser mit wärmeren Bedingungen klarkommen, dominieren mittlerweile die Lebensgemeinschaften der Großen Ohe. Ohne die chemische Erholung
der Fließgewässer hätte diese Entwicklung vermutlich nicht stattfinden können. Übrigens: Auch Mühlkoppe und Bachforelle haben ihren angestammten Lebensraum wieder besetzt – sie leben schließlich von Bachflohkrebsen
und Co., die wieder häufig geworden sind. 

KURZ UND BÜNDIG: 

  • Industrie, Verkehr und Landwirtschaft versauerten Böden und Gewässer bis in die 1980er Jahre hinein.
  • Alle Artengruppen im Fließgewässer konnten sich dank Maßnahmen zur Luftreinhaltung von der Versauerung erholen.
  • Nicht alle Artengruppen im Fließgewässer
    profitieren dagegen von dem wärmer
    gewordenen Wasser.

Der Text ist in der Broschüre "Forschung im Nationalpark" erschienen und kann auf der Homepage des Nationalparks Bayerischer Wald heruntergeladen werden. 

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