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Natur braucht auch Platz im Privaten

Nationalpark als Umweltbildungs-Pionier - Ein Gespräch mit Lukas Laux und Thomas Michler

Eintrag Nr. 53/2021
Datum:


Welchen Wert hat die Natur? Diese und andere ergebnisoffene Fragen spieler immer wieder eine Rolle im Nationalpark-Führungsprogramm. Foto: Gregor Wolf
Welchen Wert hat die Natur? Diese und andere ergebnisoffene Fragen spieler immer wieder eine Rolle im Nationalpark-Führungsprogramm. Foto: Gregor Wolf

Arbeiten beim Nationalpark im Bereich der Umweltbildung: Lukas Laux (links) und Thomas Michler. Foto: Andreas Stumpp
Arbeiten beim Nationalpark im Bereich der Umweltbildung: Lukas Laux (links) und Thomas Michler. Foto: Andreas Stumpp

Grafenau. Vor 30 Jahren hat der Nationalpark bei der Einführung der Umweltbildung Pionierarbeit geleistet. Heute ist das Schutzgebiet mit seinen pädagogischen Konzepten Vorbild für viele andere. Auf den Lorbeeren ausruhen will sich das Pädagogen-Team aber nicht. „Wir haben es geschafft, Menschen die Nationalparkphilosophie näherzubringen und sie für die Natur zu begeistern“, sagt Lukas Laux. Der nächste Schritt, den Umweltbildung gehen muss, liegt für Thomas Michler auf der Hand: Wildnis darf nicht nur in Schutzgebieten vorkommen. „Die Menschen müssen der Natur auch im privaten Bereich Platz einräumen.“

Der Begriff „Wildnis“ war zu den Anfangszeiten des Nationalparks eher negativ behaftet. Den Menschen waren Tiere eingesperrt in Volieren lieber als draußen im Wald. Heute ist die Zeit, in der sich der Nationalpark für die Philosophie „Natur Natur sein lassen“ rechtfertigen musste, längst vorbei. „Die Menschen sind von der wilden Natur mit ihrer Artenvielfalt begeistert, sie zelebrieren sie förmlich“, sagt Thomas Michler. Doch meist nur bei den Ausflügen in die Natur. „Damit dürfen wir uns als Pädagogen nicht zufriedengeben – sonst drehen wir uns im Kreis.“ Es passt nicht zusammen, dass jeder gegen das Bienensterben ist, dann aber Schottergärten anlegt und keine wilden, unaufgeräumten Ecken daheim haben will. „Hier müssen wir ansetzen und unseren Besuchern auch einmal Fragen zum Nachdenken stellen.“

Lukas Laux: "Wir wollten, dass der sinnliche Umgang mit der Natur bedeutende Rolle spielt"

Anders als noch vor 30 Jahren. Damals war Bildung im Nationalpark nach einem simplen Muster gestrickt: Der Fachmann erklärt, der Rest hört zu. „Es ging um  Wissensvermittlung“, erinnert sich Lukas Laux. Erst gab es naturkundliche Führungen, vor allem für Urlaubsgäste. Später wurde das Programm auf Einheimische und auch auf Schulen ausgeweitet. „Es hieß, ein Schüler muss nach einer Exkursion in den Nationalpark alle wichtigen Baum- und Gesteinsarten kennen.“ Nur so hatte der Besuch auch Sinn. Ende der 80er Jahre trat ein Wandel ein. „Wir wollten, dass der sinnliche Umgang mit der Natur eine ebenso bedeutende Rolle spielt wie Wissensvermittlung.“

Dazu waren aber neue Methoden notwendig. Spielerische Elemente rückten immer mehr in den Vordergrund. „Anfangs wurden wir dafür belächelt“, erinnert sich Laux. Heute hat sich diese Art der Umweltbildung durchgesetzt. „Spielen ist lernen ohne es zu merken. Wenn mir etwas Freude bereitet, merke ich es mir leichter. Das ist nicht nur bei Kindern und Jugendlichen so, auch bei Erwachsenen.“ Mittlerweile ist es auch „erlaubt“, Natur einfach nur zu genießen. „Waldbaden ist heute total angesagt. Vor 30 Jahren spotteten die Leute über unsere Baumwürgekurse, wie sie sagten.

Kooperationen mit Kunst, Kultur und Kirche

Gerade beim Spüren und Erelben von Natur arbeitet das Nationalpark-Team auch gerne mit externen Impulsgebern aus den Bereichen Kunst, Kultur und Kirche zusammen. 1997 ist beispielsweise die Reihe Nationalpark und Schöpfung entstanden, in der es neben Nationalparkinformationen auch geistlichen Input gibt. „Diese Führungen waren immer im Nu ausgebucht - und es gibt sie bis heute.“

Neuland haben die Pädagogen des Nationalparks auch beschritten, als sie naturethische Fragen in Führungen eingebaut haben. Was ist das wertvollste am Wald? Was ist eine intakte Natur? „Es gibt Fragen, auf die auch wir keine eindeutigen Antworten haben“, sagt Lukas Laux. Es ist oft besser, wenn sich in einer Führung eine Diskussion unter den Gästen entwickelt und jeder seinen Standpunkt mitteilt. „Wir können den Menschen zwar Fakten liefern und ihnen auch Ergebnisse aus der Forschung aufbereiten“, ergänzt Thomas Michler. Aber welche Schlüsse die Besucher daraus ziehen oder welchen Stellenwert die verschiedenen Bereiche haben, muss jeder einzelne für sich selbst entscheiden. „Das ist ein wichtiger Beitrag zur Wertebildung.“

Thomas Michler: "Auch bei der Bildung der Kleinsten auf dem richtigen Weg"

Und noch eine Idee hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte entwickelt. Waren es  zunächst nur Nationalparkbedienstete und Studenten, die Führungen übernommen haben, kamen später Waldführer hinzu. „Das sind Einheimische, die täglich Diskussionen über den Nationalpark mitbekommen und letztendlich das Schutzgebiet als Teil ihrer Heimat am besten erklären können“, so Michler. In regelmäßigen Abständen werden Ehrenamtliche zu Waldführern ausgebildet, in den vergangenen fünf Jahren haben die Nationalparkmitarbeiter mit viel Zeit und Aufwand ein neues Konzept erarbeitet. „Wir sind für die Zukunft gut gerüstet.“ Denn ohne die derzeit 120 aktiven Waldführer, so ist sich Lukas Laux sicher, könnte das vielfältige Führungsprogramm im Nationalpark nicht geleistet werden. „Wir brauchen die Ehrenamtlichen, damit wir unser Angebot ständig ausbauen können.“ So ist es gelungen, auch spezielle Aktionen für Menschen mit Handicap oder mit Migrationshintergrund auf die Beine zu stellen.

Darüber hinaus spielt auch die Zusammenarbeit mit den Schulen und Kindergärten eine wichtige Rolle. Im Jahr 2011 entstand die Kooperation „Nationalpark-Schulen“. Derzeit gibt es zehn davon, die nicht nur regelmäßig Exkursionen ins Schutzgebiet unternehmen, sondern auch die unterschiedlichsten Projekte durchführen. „Dieses Netzwerk ist für den Nationalpark von großem Mehrwert“, ist sich Thomas Michler sicher. „Denn über die Kinder können wir letztendlich auch Erwachsene erreichen.“ Daher soll auch die Zusammenarbeit mit den Kindergärten weiter ausgebaut werden. „Wir sehen, dass wir auch bei der Bildung der Kleinsten auf dem richtigen Weg sind.“ Denn eins steht für Lukas Laux und Thomas Michler fest: Nicht nur Menschen können vom Nationalpark lernen. Der Nationalpark braucht auch die Bevölkerung. „Nur wenn wir über unsere Arbeit informieren und die Leute dazu einladen, sich miteinzubringen, hat der Nationalpark die Chance, sich und seine Ideen weiterzuentwickeln.“

 

Dieser Bericht stammt aus der aktuellen Ausgabe des Nationalparkmagazins "Unser wilder Wald". Die komplette Ausgabe kann im Download-Bereich der Homepage als PDF-Dokument heruntergeladen werden.

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