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Gemeinsamer Nenner beim Hirschezählen

Nationalpark entwickelt deutschlandweiten Standard - Auch Partner in Rumänien und der Schweiz mit im Boot

Eintrag Nr. 05/2023
Datum:


Um Rothirsche zu zählen, wurde bisher oft der Verbiss an Bäumen begutachtet.
Um Rothirsche zu zählen, wurde bisher oft der Verbiss an Bäumen begutachtet.

Grafenau. Im Kerngebiet des Nationalparks darf sich die Natur nach ihren ureigenen Gesetzen entwickeln. Das gilt auch für die Tiere des Waldes. Räuber-Beute-Beziehungen werden zugelassen, ebenso das Schälen und Verbeißen von Bäumen und Pflanzen. In der Randzone sieht es anders aus. Hier muss der Mensch eingreifen, um Schäden in der angrenzenden Kulturlandschaft zu vermeiden.

Es ist ein Thema, das immer wieder zu Diskussionen führt. Zum einen gilt im Nationalpark die Philosophie „Natur Natur sein lassen“. Zum anderen ist es nötig, eine gewisse Anzahl Hirsche zu erlegen. „Wir bekommen immer wieder zu hören, dass sich dies widerspricht“, erzählt Dr. Christian Fiderer, der sich im Nationalpark mit dem Schalenwildmonitoring beschäftigt. Wenn Hirsche im Kerngebiet des Schutzgebietes Tannen schälen oder verbeißen, ist es ein natürlicher Prozess. Wenn sie es in einem an den Nationalpark angrenzenden Privatwald tun, ist es ein Schaden.

Künstliche Intelligenz wertet Daten von 140 Fotofallen aus

Deshalb muss im Randbereich gehandelt werden. Jährlich schreibt der Nationalpark fest, wie viel Hirsche und Wildschweine erlegt werden müssen, um zum einen eine gesunde Population zu erhalten, zum anderen aber größere Wanderbewegungen von Huftieren ins Nationalparkumfeld zu vermeiden. „Wenn wir das tun, greifen wir in die natürlichen Abläufe des Schutzgebietes ein“, erklärt Prof. Marco Heurich, Sachgebietsleiter für Nationalparkmonitoring. „Um dies vor der Gesellschaft rechtfertigen zu können, müssen wir unser Vorgehen gut begründen, dokumentieren und offenlegen.“

Und genau hier kommt das Schalenwildtiermonitoring ins Spiel. „Um passende Abschusszahlen festlegen zu können, müssen wir zunächst einmal wissen, wie viel Huftiere im Nationalpark unterwegs sind, wie sich die Population entwickelt hat und wie hoch der potentielle Schaden ist, der durch sie entsteht“, so Heurich. Verbissschäden sind an Bäumen zu sehen und ablesbar. Aber wie zählt man Hirsche und Wildschweine? Dazu hat der Nationalpark 140 Fotofallen aufgestellt. Sie nehmen auf, welche Arten sich innerhalb eines Jahres im Schutzgebiet bewegen. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz werden die Fotos ausgewertet und die Populationsdichte berechnet.

Jedes Schutzgebiet zählte die Tiere bisher anders

„Anhand der Bilder erkennen wir außerdem die Altersstruktur und das Geschlechterverhältnis“, sagt Fiderer. So entstehen verlässliche Angaben, wie hoch die Zahl der erlegten Tiere sein muss, um die Populationsdichte konstant zu halten und Abwanderungen ins Nationalparkumfeld zu verhindern. Im Kerngebiet des Nationalparks darf sich die Natur nach ihren ureigenen Gesetzen entwickeln. Das gilt auch für die Tiere des Waldes. Räuber-Beute-Beziehungen werden zugelassen, ebenso das Schälen und Verbeißen von Bäumen und Pflanzen. In der Randzone sieht es anders aus. Hier muss der Mensch eingreifen, um Schäden in der angrenzenden Kulturlandschaft zu vermeiden.

Mit dem Monitoring hat der Nationalpark eine Vorreiterrolle in Deutschland eingenommen – und auch das Interesse anderer Schutzgebiete geweckt. „Bei einer Umfrage hat sich herausgestellt, dass jeder die Abschusszahlen anders hergeleitet hat“, erzählt Heurich. Die einen zählten die Tiere mittels Befliegung, die anderen hatten einfach nur den Zustand der Verjüngung begutachtet und wieder andere nutzten die Methode der Scheinwerfertaxation. Hier wird nachts mit einem Scheinwerfer Wild gesucht. „Für uns war klar, dass nur ein einheitliches, standardisiertes Vorgehen Sinn macht.“

„In diesem Umfang ist das Projekt in Europa bislang einzigartig“

Daher ist bereits im Jahr 2018 ein vierjähriges Projekt gestartet. Finanziert wurde es vom Bundesamt für Naturschutz, Federführung hatten die Uni Freiburg und der Nationalpark Bayerischer Wald. In zehn Schutzgebieten wurden 643 Fotofallen aufgestellt und über 15.000 Bäume untersucht. Letztendlich ist es so gut verlaufen, dass alle Beteiligten eine Fortsetzung wünschten. Dank aller deutschen Nationalparkleiter, die sich regelmäßig treffen, konnten über den Verein der „Nationalen Naturlandschaften Deutschlands“ die nötigen Gelder bereitgestellt und das Projekt fortgesetzt werden. Dieses Mal sind nicht nur elf deutsche Nationalparks beteiligt, sondern auch Gebiete in Rumänien und der Schweiz. Und die Anfragen der Interessenten, die mitmachen möchten, gehen weiter. Warum die Resonanz so groß ist, das ist Marco Heurich klar: „In diesem Umfang ist das Projekt in Europa bislang einzigartig.“

 

Dieser Text stammt aus der aktuellen Ausgabe des Nationalpark-Magazins "Unser wilder Wald". Die komplette Publikation ist auch als PDF-Version auf der Nationalpark-Homepage abrufbar.

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