Was ist Wildnis? -Vortrag einer kleinen Kulturgeschichte einer Idee

Pressemitteilung Nr. 166/09

Datum: 03.12.2009

(Pö) Erfolgreicher hätte der Start zur ersten Veranstaltung der beliebten wissenschaftlichen Vortragsreihe des Nationalparks Bayerischer Wald nicht sein können: Mehr als 100 Besucher lauschten im bis auf den letzten Platz besetzten Saal des Waldgeschichtlichen Museums St. Oswald dem interessanten und abwechslungsreichen Vortrag von Frau Ursula Schuster von der Bayer. Naturschutzakademie Laufen.

Organisator Dr. Jörg Müller von der Nationalparkverwaltung teilte in seiner Begrüßung mit, dass die insgesamt sechs Veranstaltungen der Vortragsreihe in den Wintermonaten unter dem Leitthema „Tierisch wild“ stehen werden, wozu natürlich die Wildnis und was darunter verstanden wird, inhaltlich hervorragend passt.

Was ist eigentlich Wildnis? – Diese Frage beschäftigt angesichts des zunehmend auch in der touristischen Werbung benutzten Wortes viele Menschen in der Region. Ist Wildnis im Begriff, am Lusen zu entstehen? Oder sind die alten Urwaldrelikte um Zwieslerwaldhaus bzw. die weglosen Gebiete der Hochmoore entlang des  Grenzkammes ein gutes Beispiel dafür?
Frau Schuster band deshalb gleich zu Beginn ihres Referates ihre Zuhörer mit ein, in dem sie nach Wildnisdefinitionen fragte und diese für alle sichtbar auf einer Pinwand festhielt. Schnell wurde allen Anwesenden klar, dass der Begriff Wildnis unterschiedlichste Erwartungen und Vorstellungen hervorrief. Sie reichten von „Erfindung des Menschen“ über „Reste einer Verwilderung“ und „Gefühlsbeziehung von Mensch und Natur“ bis zu „Endprodukt von Natur Natur sein lassen“.

Frau Schuster hatte diese Unterschiede erwartet und betonte, dass die Idee „Wildnis“ eine kleine Kulturgeschichte beinhaltet. In ihrem reich bebilderten Vortrag definierte sie deshalb die Wildnis im Wandel der Zeit und stellt klar, dass Wildnis kein naturwissenschaftlicher, sondern ein kultureller Begriff sei.

Vor ca. 500 Jahren nach Christus war Wildnis der entscheidende Gegensatz zum geweihten Kosmos. Wildnis war der Ort der Dämonen und Geister und wurde deshalb bekämpft. Im Mittelalter (500 – 1500) verband man Hexen mit Wildnis. Sie fanden Zuflucht nur in der Wildnis. Eine Abschottung durch Ringmauern, etc. fand statt.
Erst seit der Zeit der Aufklärung (17. und 18. Jahrhundert) konnte der Wildnis Positives abgewonnen werden; es wurde versucht, sie zu beherrschen. Wildnis wird auch zum Symbol der Freiheit.
Und in der Romantik (18./19. Jahrhundert) wird die Wildnis zum geheimnisvollen Ort der Sehnsucht nach dem verlorenen ursprünglichen Ganzen.

Frau Schuster zeigte auch auf, dass Wildnis ebenso im Naturschutz ständigem Wandel unterlag. Wildnis galt als Symbol der Echtheit, ihr Verschwinden als Verlust der Kultur, ihr Bestand als notwendiger Teil der Natur. Mitte des 20. Jahrhunderts begann zunächst über den Heimatschutz die Ökologisierung des Naturschutzes, der nach neuen Begründungen für den Wildnisschutz suchte.
Erst seit 1990 ist wieder von Wildnis die Rede, allerdings oft in Zusammenhang mit Abenteuer. Wildnis ist gleichbedeutend mit Wagnis. Managerseminare und Dschungelcamps sind beste Belege dafür.

Heute wird Wildnis sehr oft nur in Verbindung mit Nationalparken verstanden. Die Spannweite der Begriffsdeutung bleibt aber groß. Der „Borkenkäferwald“ wird als Ort der Bedrohung und gleichzeitig als Ort der Freiheit gesehen.

Auch die anschließende Diskussion machte mehr als deutlich, welch unterschiedliche Auffassungen und Erfahrungen mit Wildnis bestehen und bestätigen das Fazit von Frau Schusters Vortrag: Wildnis war nicht nur früher, sondern ist auch heute und in Zukunft ein kulturelles Anliegen.

 


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