Doppelte Staatsbürgerschaft für Wildtiere im Grenzgebiet

Pressemitteilung Nr. 156/12

Datum: 04.10.2012

Ein Luchs mit Sendehalsband wird von einer Fotofallen-Kamera abgelichtet. Gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist für die Wildtierforscher wichtig: die Tiere kennen keine politischen Grenzen und suchen sich den geeigneten Lebensraum - egal ob Bayern oder Tschechien.  Auf beiden Seiten werden Telemetrie und Fotofallen zur Erforschung der Tiere eingesetzt.

Ein Luchs mit Sendehalsband wird von einer Fotofallen-Kamera abgelichtet. Gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist für die Wildtierforscher wichtig: die Tiere kennen keine politischen Grenzen und suchen sich den geeigneten Lebensraum - egal ob Bayern oder Tschechien. Auf beiden Seiten werden Telemetrie und Fotofallen zur Erforschung der Tiere eingesetzt.

Tiere kennen keine Staatsgrenzen. Um das Verhalten von Wildtieren in den Nationalparken Bayerischer Wald und Šumava zu untersuchen, arbeiten die Forscherteams beider Seiten miteinander. Dr. Marco Heurich und Ludek Bufka präsentierten in einem reich bebilderten Vortrag ihre Zusammenarbeit. Moderiert wurde der Abend von Dr. Claus Bässler, der die wissenschaftliche Vortragsreihe der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald organisiert.

„Hannah gehört zu den Rehen, die die Welt erkunden. Als junge Geiß hat sie sich auf eine Wanderschaft von 95 km begeben - hinüber in den Nationalpark Sumava und in das Nationalpark Vorfeld. Mittlerweile ist sie häuslicher geworden und steht in der Nähe von Spiegelau“, erzählt Dr. Heurich launig Hannahs Geschichte. Woher die Forscher das so genau wissen? Hannah gehört zu den Rehen, die Dr. Heurich und seine Kollegen besendert haben. Sie trägt ein Halsband, das Positionsdaten wie ein Navigationsgerät bestimmt und als SMS an die Forscher versendet. „Nach Lehrbuch hat ein Reh ein Territorium von 25 Hektar. Hier bei uns haben die Rehe Reviere von durchschnittlich 300 Hektar“, erklärt Dr. Heurich. Gemeinsam mit seinem tschechischen Kollegen Ludek Bufka untersucht er das Raumverhalten der Wildtiere Luchs, Reh und Rothirsch.

Der Luchs ist seit den 1970er Jahren wieder im Gebiet unterwegs. Damals gab es eine Freilassung von fünf bis sieben Tieren im  Nationalpark Bayerischer Wald. So genau ist das nicht dokumentiert. In den 1980er Jahren wurden dann 17 Wildfänge aus den Karpaten auf der Fläche des heutigen Nationalparks Šumava ausgewildert. „Diese Aktion zur Populationssicherung wurde gut dokumentiert und begleitet“, sagt Ludek Bufka, Projektleiter des Forscherteams in  Tschechien. Bufka erläuterte in seinem Vortrag ausgiebig die Geschichte und heutige Situation der Luchse in Tschechien. Nur im Westen, an der Grenze zu Bayern, und Osten, mit Verbindung in die Karpaten, gibt es hier noch dauerhaft Luchse. Geeignet wären wesentlich mehr Gebiete. Doch diese müssten vernetzt sein. „Erst ab einer Anzahl von 500 bis 1000 Tieren kann man davon ausgehen, dass die Population dauerhaft bestehen wird“, ergänzt Dr. Heurich, der für das Publikum den englischen Vortrag seines Kollegen übersetzte. Große, vernetzte Gebiete sind wichtig für die Luchse. Wie viele Luchse es in der Region vom Fichtelgebirge bis in das Mühlviertel in Österreich beidseits der Grenzen gibt, ist schwer zu sagen. Die intensiven Untersuchungen beschränken sich nur auf einen Bruchteil dieses Gebietes. Das deutsch-tschechische Forscherteam geht derzeit von 14 erwachsenen Luchsen aus, die beide Nationalparke durchstreifen. „Die Tiere leben natürlich auch im Vorfeld der Nationalparke“, so Dr. Heurich.

Doch das Vorkommen von Luchsen ist nicht immer gern gesehen. In Tschechien weiß man von 56 illegal getöteten Luchsen. In Bayern gibt es dazu keine genauen Zahlen. Im Bereich Neureichenau wurde vor Jahren ein Luchs erschossen aufgefunden. Anfang dieses Jahres wurde die freilebende Luchskatze Tessa vergiftet. Der Luchs steht unter Schutz, doch das ist keine Überlebensgarantie. Überraschend für Dr. Heurich war auch, dass nach einer Umfrage 30 Prozent der einheimischen Bevölkerung denken, dass vom Luchs eine große oder sehr große Gefahr ausgeht. Die Öffentlichkeitsarbeit hat im grenzüberschreitenden Projekt einen hohen Stellenwert. Es gibt noch einiges dafür zu tun.

Die Veranstaltung fand im Rahmen der Wissenschaftlichen Vortragsreihe des Nationalparks Bayerischer Wald statt. Weitere Vorträge gibt es in den Wintermonaten. Die wissenschaftlichen Themen sind interessant aufbereitet und sprechen Fachpublikum wie auch Laien an. Der nächste Vortrag findet am 8.11.2012 im Waldgeschichtlichen Museum St. Oswald statt. Dann referiert Dr. Arne Arnberger über „Besuchermonitoring - leicht gemacht oder eine Wissenschaft für sich?“.

Rainer Pöhlmann

Bildunterschrift:
Ein Luchs mit Sendehalsband wird von einer Fotofallen-Kamera abgelichtet. Gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist für die Wildtierforscher wichtig: die Tiere kennen keine politischen Grenzen und suchen sich den geeigneten Lebensraum - egal ob Bayern oder Tschechien.  Auf beiden Seiten werden Telemetrie und Fotofallen zur Erforschung der Tiere eingesetzt (Foto: Nationalpark Bayerischer Wald).


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