Pflanzen – unerschöpfliche Schatzkammern für medizinische Wirkstoffe

Pressemitteilung Nr. 015/12

Datum: 03.02.2012

Der Fingerhut schützt sich mit seinen Pflanzenwirkstoffen vor Fraßfeinden. Der Mensch nutzte sie als Gift. Heute sind sie wichtiger Bestandteil in manchem Herzpräparat.
(Foto: Rainer Pöhlmann)

Der Fingerhut schützt sich mit seinen Pflanzenwirkstoffen vor Fraßfeinden. Der Mensch nutzte sie als Gift. Heute sind sie wichtiger Bestandteil in manchem Herzpräparat. (Foto: Rainer Pöhlmann)

Zum vorletzten Vortrag aus der Wissenschaftlichen Vortragsreihe des Nationalparks Bayerischer Wald in diesem Winter konnte Organisator Dr. Jörg Müller von der Nationalparkverwaltung Prof. Dr. Michael Wink, den Leiter des Instituts Pharmazie und molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg gewinnen. Knapp 50 Zuhörer lauschten der Präsentation von Prof. Wink im Haus zur Wildnis.

Was bedeutet ein Pflanzenstoff für die Pflanze und welchen Nutzen können wir für die Medizin daraus ziehen? In einem interessanten Vortrag schaffte es Prof. Wink die Brücke von chemischer Zusammensetzung und Wirkung hin zur Verwendung in Medikamenten zu schlagen.

Einleitend stellte er die Vielzahl von größtenteils unbeschriebenen Pflanzen weltweit und deren Verbreitung vor. Gerade in den Tropen Asiens, Afrikas und Südamerikas findet sich eine große Artenvielfalt. Welchen Wert hat diese Biodiversität für uns Menschen? Wir nutzten sie durch Land- und Forstwirtschaft, sie hat eine große Bedeutung für den Klimaschutz und unsere Erholung,  und nicht zuletzt ist diese Vielfalt an Pflanzenarten auch eine Quelle der Medizin. Seit Anbeginn der Menschheit nutzten wir Pflanzenstoffe zur Linderung von Beschwerden. 

„Fallen Sie nicht um“, warnte Prof. Wink und geht ins Detail eines jeden Pflanzenstoffes: in die Chemie. Ganz Universitätsprofessor zeigte er eine Vielzahl an chemischen Verbindungen, deren Zusammensetzung und Bezeichnung. Es schwirrten Alkaloide, Terpenoide und Polyphenole auf der Folie und in den Köpfen der Zuhörer. Doch Prof. Wink verstand es mit Worten, die Komplexität zu entwirren. Alles ist Chemie, das Anbinden oder Abspalten einzelner Stoffe ist verantwortlich für Vorgänge in Zellen und damit im Körper. Die Wirkung einer Pflanze lässt sich nur verstehen, wenn man einen Blick in die Chemie wirft.

Wofür produziert eine Pflanze sogenannte bioaktive Sekundärstoffe? „Stellen Sie sich vor, Sie sind ein einsamer Fingerhut, sie können nicht weglaufen,“ band Prof. Wink seine Zuhörer geschickt ein. „Wir bräuchten Schutz vor Fraßfeinden und schädlichen Mikroorganismen, denn als Pflanze hätten wir kein Immunsystem. Als Fingerhut haben wir Herzglykoside, die bei unseren Fraßfeinden bis zum Tod führen können und die zugleich gegen Pilze und Bakterien wirken. Diese Multifunktion ist typisch für viele Pflanzenwirkstoffe. Sie wirken auf Tier und Mensch im Nervensystem, auf Herz und Kreislauf, Muskeln und Fortpflanzung. Der Mensch macht sich das z. B. das Gift des Fingerhutes zunutze, denn bekanntlich macht die Dosis erst das Gift. In geringen Mengen werden Wirkstoffe des Fingerhuts als Heilmittel bei Herzbeschwerden angewandt.“

Prof. Wink zeigte weitere Beispiele von Pflanzenstoffen, deren Wirkung und Nutzen für die Pflanze selbst und deren Verwendung in der Medizin. „Nicht alles was grün ist, ist lecker und gesund,“ warnt Prof. Wink die Kräutersammler mit einem Augenzwinkern.  Manch ein Kraut verursacht nicht nur Übelkeit, sondern hat krebserregende Stoffe in sich. Dennoch: Naturstoffe begleiten uns tagtäglich und haben, wie zum Beispiel manche Gewürze, antibiotische oder verdauungsfördernde Wirkung.

Weltweit werden ca. 5 000 Pflanzen für die Medizin genutzt. 300 000 Pflanzen sind im Hinblick auf pharmazeutischen Nutzen noch unerforscht. Doch die Entwicklung eines Medikamentes ist kostenintensiv und langfristig. Hier spielt das Interesse der Pharmazie eine große Rolle. Meist wird nur in lukrativen Gebieten, z. B. für häufige oder chronische Krankheiten, geforscht. Gerade dieser Bereich wurde in der Fragerunde am Ende des Vortrags noch rege diskutiert.

Kommenden Donnerstag, dem 9. Februar findet um 19:00 Uhr der letzte Vortrag der Wissenschaftlichen Vortragsreihe im Haus zur Wildnis statt: „Holznutzung im Bayerischen Wald – Am Rande der Nachhaltigkeit. Die Veranstaltung mit Prof. Axel Göttlein vom Fachgebiet Waldernährung und Wasserhaushalt der TU München richtet sich wieder an Nicht-Wissenschaftler und lädt zu Information und Diskussion ein.

Bildunterschrift:
Der Fingerhut schützt sich mit seinen Pflanzenwirkstoffen vor Fraßfeinden. Der Mensch nutzte sie als Gift. Heute sind sie wichtiger Bestandteil in manchem Herzpräparat.
Foto: Rainer Pöhlmann


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