Wieviel Wolf verträgt der Mensch?

Pressemitteilung Nr. 150/10

Datum: 24.11.2010

Wölfe im Tier-Freigelände des Nationalparks Bayerischer Wald

Wölfe im Tier-Freigelände des Nationalparks Bayerischer Wald

Wölfe wecken Emotionen, spalten Gefühle, indem sie Angst und Schrecken verbreiten aber auch Faszination und Bewunderung hervorrufen. Womöglich stehen sie schon vor der „Haustür“, klopfen bereits an und wollen herein. Sie sind und werden es noch lange bleiben: ein brandheißes Thema, das 125 Zuhörer, so viel wie noch nie, zur ersten Veranstaltung dieses Jahres im Rahmen der Wissenschaftlichen Vortragsreihe der Nationalparkverwaltung in das Waldgeschichtliches Museum lockte.
Und dieses, wie sich schnell herausstellte, hoch interessierte Publikum musste sein Kommen nicht bereuen, sondern wurde von Gudrun Pflüger, einer der renomiertesten Expertinnen zum Thema Wolf, mit einem einfühlsamen und fundierten Vortrag entschädigt, indem immer wieder teils atemberaubende Videos eingestreut waren.
Lukas Laux, der Bildungsreferent der Nationalparkverwaltung, führte in seinen Begrüßungsworten über die aktuelle Wolfssituation in Bayern zum vieldiskutierten Thema Wolf hin. Mit seiner Anmerkung: „Wir Deutsche neigen dazu, anderen Ländern vorzuschreiben, wie sie mit ihren Wildtieren umzugehen haben“, stimmte er das Publikum gleich zu Beginn recht nachdenklich und nannte dazu als Beispiel die Jagd auf Robben in Kanada oder Elefanten in Afrika bzw. Wale in Japan.
Darauf ließ sich das Thema „Wolf“ von der Expertin Gudrun Pflüger jetzt gut aufbauen. Fast behutsam näherte sie sich dem umstrittenen „Raubtier“, das nicht nur bei uns Emotionen weckt. „Diese und so manche Diskussion“, so Pflüger, „könnte oft vermieden werden, wenn wir mehr über die Biologie des Wolfes und seinem Verhalten wüssten“.

Wie lebt der Wolf?
Schon die Paarung der Wölfe fällt in die „Valentinzeit“, also die Zeit der Liebe um Mitte Februar, ließ Pflüger schmunzelnd wissen. 63 Tage später werden 4  bis 6 Junge nackt und blind in einer Höhle geboren, von der Wölfin gesäugt und treu umsorgt.
Das Sozialverhalten der Wölfe innerhalb des Rudels darf unter Tieren fast als einzigartig bezeichnet werden. Es gibt feste Rangordnungen und Aufgabenverteilung. „Wölfe sind uns Menschen ähnlicher als Primaten“, resümierte die Wolfsexpertin.
Über viele Jahre hinweg hat sie im Mountain Nationalpark im Südwesten Kanadas auf einer Fläche von 4 000 km² intensiv Wölfe beobachtet, studiert, ja mit ihnen gelebt und festgestellt, dass diese Tiere eine extreme Körpersprache besitzen, Heulen nicht gleich Heulen ist, sondern dem Zusammenfinden dient, Ausdruck der Freude sein kann und die Abgrenzung des Territoriums anzeigt.
Wölfe sind gegenüber dem Menschen in de Regel extrem scheu, wissen sich aber auch zu arrangieren, also anzupassen und neigen sogar zur Neugier nach dem Motto: Wer bist den du – wir sind hier.
Einer Übervermehrung im Wolfsland begegnen die Wölfe selbst, in dem das Rudel eine konstante Größe besitzt, nämlich die beiden Elterntiere, die Jungtiere des Vorjahres und die aktuellen Jungen. Im Alter von 1 ½ Jahren werden die Jungwölfe aus dem Rudel verjagt, müssen sich einen neuen Lebensraum suchen.

Was frisst der Wolf - außer Großmütter?
Dieser nicht ganz ernst zu nehmende Frage ging Gudrun Pflüger wissenschaftlich nach und fand anhand Knochenuntersuchungen erbeuteter Tiere heraus, dass auch Wölfe den Weg des geringsten Widerstandes gehen, was heißt, sie konzentrieren sich auf schwache, ausgemergelte Beutetiere, die wenig „Ärger“ machen. Die Größe der Beutetiere spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle.

Scheu oder berechnend?
Um mehr Licht in das Leben der Wölfe zu bringen, hat Gudrun Pflüger neben Telemetrie, gesammelter Haar- und Kotproben auch Fotofallen eingesetzt. Zum Erstaunen zeigen die dabei entstandenen Bilder, dass auf selbst von Menschen frequentierten Wegen nur 5 Minuten später auch Wölfe abgelichtet wurden.

Rückkehr der Wölfe
Warum gerade jetzt der Wolf sich anschickt, ehemalige Lebensräume wieder neu zu besiedeln, hat nach Ansicht von Pflüger zwei wesentliche Ursachen. Zum einen gab es in der Gesellschaft einen Wertewandel, was heißt, der Wolf wurde vom gejagten und gehetzten zum streng geschützten Tier. Zum anderen expandiert die Population in den Wolfsländern, weil reichlich Beutetiere in freier Natur vorhanden sind.

Der Wolf als extremer Weitwanderer, „hundert Kilometer innerhalb 24 Stunden sind möglich“, so Gudrun Pflüger, ist sehr anpassungsfähig und kann durchaus eine ganze Woche ohne Nahrung auskommen, nutzt diese günstige Chance im Moment. Durch den langen Futterverzicht hinterlässt er auf seinen Erkundungsstrecken keine oder nur selten Spuren. Er bleibt lange unentdeckt, und der Mensch ist meistens unvorbereitet, wo der Wolf neu ankommt. Dabei kommt es zu Interessenskollisionen zwischen Naturschützern, Landwirten und Jägern, wobei letztete Gruppe von Gudrun Pflüger mit den Worten: „Die Jägerschaft ist nicht grundsätzlich gegen den Wolf“, teilweise ausgenommen wurde.

Räuber- Beuteverhalten
Sehr beeindruckend auf das sachkundige Publikum wirkten vorgeführte Videospots, die überdeutlich belegten, dass mögliche Beutetiere am Verhalten des Wolfes erkennen, ob das Zusammentreffen für sie gefährlich werden könnte. Ohne jegliche Angst zogen sie auf 10 Metern Entfernung an ihrem Jäger vorbei. Der Atem stockte jedoch manchem Besucher beim Anblick einer Szene, in der sich Wölfe an ihrem Lachsfanggewässer der Wolfsforscherin näherten, das Rudel sich formierte, sie umzingelte und zwei Wölfe sie mit direktem Kontakt beschnupperten und letztendlich, als alle auf den Zubiss warteten, sich einer dicht neben sie hinsetzte.

Mit dieser packenden Szene schloss sie den Vortrag und fügte vielstimmig hinzu: „Wölfe sind das, was wir in ihnen sehen wollen“.  

Bildunterschrift:
Wölfe im Tier-Freigelände des Nationalparks Bayerischer Wald

 


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