Borkenkäfer, Baumkunde und Blasen an den Füssen

Die 14-tägige Ausbildung zum Nationalpark-Waldführer ist kein Zuckerschlecken

Pressemitteilung Nr. 056/10

Datum: 04.05.2010

Die neu ausgebildeten Waldführer mit dem zuständigen Nationalpark-Mitarbeiter Lukas Laux (rechts)

Die neu ausgebildeten Waldführer mit dem zuständigen Nationalpark-Mitarbeiter Lukas Laux (rechts)

Ein Waldführerkurs im Nationalpark Bayerischer Wald ist nichts für „Couch-Potatoes“, also für Leute, die sich die Natur am liebsten in Form von Tierfilmen von der bequemen Fernsehcouch aus anschauen. Das erfahren die 36 angehenden Waldführerinnen und Waldführer, die Mitte April den diesjährigen Kurs gemacht haben, – unter ihnen Thomas Köppl und Thomas Meininger, die diesen Bericht verfasst haben - gleich am ersten Ausbildungstag. Da geht es mit Lukas Laux und Petra Jehl vom „Sachgebiet Umweltbildung und Regionalentwicklung“ nicht in einen Seminarraum mit trockener Theorie, sondern raus in die frische Luft und die Nationalparkwälder im Lusengebiet. Das Nationalparkprinzip „Natur Natur sein lassen“, das die beiden dort erklären, ist in jedem Waldwinkel hautnah zu entdecken. Unter grauen „toten“ Baumstämmen wachsen junge grüne Fichten nach, dazwischen Vogelbeere, Buche oder Bergahorn. Pro Hektar wurden bei der letzten Waldinventur rund 5 000 junge Bäumchen gezählt, alle über zwanzig Zentimeter hoch. Diese Zahl erstaunt nicht nur „Zugereiste“, die sich hier zum Waldführer ausbilden lassen, sondern auch die einheimischen Teilnehmer. Staunen gibt’s auch über Kleinigkeiten, an denen man sonst nur achtlos vorbeigeht: Lukas Laux bückt sich, hebt einen völlig zerzausten Fichtenzapfen auf, der aussieht wie halb explodiert – das ist das Werk des Fichtenkreuzschnabels, erklärt er, eines Vogels, der jeden der begehrten Samen einzeln aus den Zapfenschuppen herausdreht. Ein bis auf einen schmalen Rest abgenagter Fichtenzapfen dagegen war die Mahlzeit eines Eichhörnchens, ein noch feiner abgefressener das einer Maus.

Die Waldführerausbildung im Nationalpark Bayerischer Wald ist detailreich, umfassend und interessant. Nur einmal im Jahr wird sie durchgeführt. 36 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen heuer in den Genuss der 14-tägigen ausgesprochen intensiven Ausbildung. Viele davon wollen tatsächlich später ehrenamtlich als Nationalpark-Waldführer arbeiten, auch einige junge Tschechinnen, die für die steigende Zahl tschechischer Besuchergruppen, zum Beispiel am neuen Baumwipfelpfad, auch dringend gebraucht werden. Die anderen sind Praktikanten, Studenten, auch Forstwirte, die im Nationalpark neu angestellt wurden und ein umfassendes Bild erhalten sollen von der Nationalparkphilosophie.

Die gesamten zwei Wochen sind, wie gesagt, nichts für „Couch Potatoes“! Der vergleichsweise kurze Waldbegang vom ersten Tag steigert sich zu ausgedehnten Wanderexkursionen auf über 1000 Höhenmeter. 12 stramme Kilometer geht es zum Beispiel zu Fuß von Waldhäuser zur Racheldiensthütte – für jeden persönlich auch ein Konditionstest, ob man überhaupt zum Waldführer taugt. Die Wandertage sind zudem mit Informationen vollgepackt – zu Bergmisch- und Fichtenhochlagenwald, zu Walddynamik und Wildtiermanagement, auch zu den vieldiskutierten Problemthemen Verbissschäden, natürliche Waldverjüngung und Borkenkäfer. Nationalpark-Fachleute aus allen Ressorts führen die Kursteilnehmer durch ihre Spezialthemen und Gebiete. Mit Reinhold Weinberger zum Beispiel geht es, ebenfalls zu Fuß, zum Lackaberg, wo die öffentlich noch immer kontrovers diskutierten Windwürfe des Orkans „Kyrill“ liegen und der Borkenkäfer unter der Rinde aktiv ist. Die theoretische Information, dass das Klima im Bayerischen Wald wesentlich rauer ist als in den Alpen, kann man hier unangenehm spüren: auf den Wegen liegt jetzt im April noch Schnee, da heißt es mühsam stapfen, auch beim grenzüberschreitenden Wander-Samstag in den tschechischen Nationalpark „Šumava“. Waldführer werden – das bedeutet auch Wochenend-Arbeit!

Zur Waldführerausbildung gehört auch eine Wanderung mit Nationalparkchef Karl-Friedrich Sinner persönlich und ein ausführlicher Blick hinter die Kulissen der vielen Besuchereinrichtungen: vom „Haus zur Wildnis“ über das Wildniscamp am Falkenstein mit seinen Länder- und Themenhütten bis zum neuen faszinierenden Baumwipfelpfad. Im Hans-Eisenmann-Haus, das noch aus den 80er Jahren stammt, erfahren die angehenden Waldführer vieles zur geplanten Neukonzeption. Das Haus wird die Nationalparkidee künftig moderner und spannender präsentieren, museumspädagogisch auf den neuesten Stand gebracht. Neu ist den künftigen Waldführern auch die Idee des sogenannten „ökologischen Fußabdrucks“ – das ist die Fläche, die jeder Mensch ge- oder verbraucht, um sein Essen, seine Kleidung und die benötigte Energie zu erzeugen, seinen Müll zu entsorgen und das Kohlendioxid zu binden, das durch seine Aktivitäten freigesetzt wird. – eine greifbare, wenn auch nachdenklich machende Vorstellung.
Aber ein Waldführerkurs wäre unvollständig, wenn es nicht auch um Handfestes für die künftige, übrigens ehrenamtliche Tätigkeit gehen würde. Auch dazu bietet der Kurs ein ganzes Paket an Informationen: was tun, wenn Teilnehmer mitgehen möchten, die weder vernünftige Schuhe noch wetterfeste Kleidung dabei haben? Wie sollte der Waldführer selbst ausgestattet sein, wie vermittelt er sein Wissen, ohne die Besucher zu langweilen oder zu überfordern? Mit welchen Spielen kann man Führungen gestalten, bei denen Kinder dabei sind? Welche Pflanzen sind giftig und was tut man, wenn tatsächlich was passiert? Ein Erste-Hilfe-Kurs am zweiten Wochenende rundet dafür die Ausbildung ab.

Bevor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tatsächlich mit „echten“ Nationalparkbesuchern auf Tour gehen dürfen, müssen sie ihre neuerworbenen Kenntnisse in Form von kleinen Präsentationen und phantasievoll gestalteten Abschlussführungen demonstrieren. Die Teilnehmerzertifikate gibt’s dann bei einem gemeinsamen gemütlichen Abend auf dem Lusenschutzhaus, den die frischgebackenen Waldführerinnen und Waldführer auch selbst gestalten. Wer die „Neuen“ in der Praxis erleben will, hat dazu sicher bald Gelegenheit – ein Grund mehr, wieder einmal den Nationalpark Bayerischer Walds zu besuchen! 

Bildunterschrift
Die neu ausgebildeten Waldführer mit dem zuständigen Nationalpark-Mitarbeiter Lukas Laux (rechts)  

Bilder stehen unter http://www.nationalpark-bayerischer-wald.bayern.de/aktuelles/mediathek/index.htm  zum Download bereit

 

Das Veranstaltungsprogramm zum 40-jährigen Jubiläum des Nationalparks Bayerischer Wald kann auf der Website der Nationalparkverwaltung unter http://www.nationalpark-bayerischer-wald.de  unter Aktuelles“ heruntergeladen werden.

 

 

 


Bilder zur Mitteilung

Bei Klick auf das beigefügte Bildmaterial werden die Fotos in druckfähiger Auflösung dargestellt. Die Aufnahmen dürfen von Medien jeweils nur in Verbindung mit der dazugehörigen Mitteilung verwendet werden. Andere Nutzungsarten bedürfen einer schriftlichen Genehmigung.



Kontakt Pressestelle

Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald
Pressestelle
Freyunger Straße 2
94481 Grafenau
08552 9600-132
08552 9600-144
08552 9600-161
08552 9600-100
pressestelle@npv-bw.bayern.de

Die Mitarbeiter der Pressestelle finden Sie in unserer Rubrik Ansprechpartner.

Zum Seitenanfang scrollen nach oben